29. Januar 2021

Linksdrehende Windräder - was steckt hinter der Corioliskraft

Größere Windenergieanlagen, Speichersysteme, Wasserstoff-Produktion, fliegendes Kraftwerk – die Einsatzgebiete und Wirtschaftlichkeit der Windenergie entwickelt sich stetig weiter. Als einer der Windenergie-Pioniere ist Prokon seit mehr als 25 Jahren in der Branche aktiv und seit jeher offen für neue Entwicklungen. Insgesamt wurden durch Prokon bislang 394 Windenergieanlagen in Deutschland, Polen und Finnland geplant, gebaut und in Betrieb genommen. Alle haben eines gemeinsam: Sie drehen sich im Uhrzeigersinn – also rechts herum. Laut einer vielbeachteten Simulationsstudie, die im letzten Jahr vom Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt durchgeführt wurde, könnte das die falsche Richtung sein. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich viele Windräder auf der Nordhalbkugel in die entgegengesetzte Richtung drehen sollten. Ursache sei die Erdrotation.

Links Rechts C

90 Prozent aller Windkraftanlagen stehen auf der Nordhalbkugel

Luftströmungen werden auf der Nordhalbkugel, auf der 90 Prozent aller Windkraftanlagen weltweit stehen, durch die Erdrotation nach rechts abgelenkt. Dafür verantwortlich ist die Corioliskraft. In der angesprochenen Studie wurde herausgefunden, dass sich bei linksdrehenden Anlagen die Strömung hinter der Anlage schneller als bei rechtsdrehenden regeneriert. Mit Regeneration ist in diesem Fall gemeint, dass die Windströmung hinter einer ersten Anlage (als „Hindernis“) wieder schneller an Kraft gewinnt, welche von einer weiter hinten im Windpark stehenden Anlage genutzt wird. Bei einer allein stehenden Windenergieanlage spielt die Corioliskraft also keine Rolle. Bei Windparks mit mehreren Anlagen hintereinander wurde berechnet, dass der Stromertrag mit linksdrehenden Anlagen bis zu 23 Prozent höher ausfallen könnte als bei gewöhnlich verwendeten Anlagen.

Aber Vorsicht, bislang handelt es sich dabei um rein theoretische Berechnungen. Daher gibt es auch von vielen Seiten Einwände zur Studie. Zum einen stehen die Anlagen an Land oft so dicht beieinander, dass die Strömung zwischen den Anlagen durch die Corioliskraft nur wenig beeinflusst wird. Hügelige Landschaften und Wälder beeinflussen die Strömung ebenfalls. Ein weiteres Gegenargument wäre die Akzeptanz, denn wie sehe es aus, wenn sich eine Anlage nach rechts dreht, die dahinter nach links. Das wirkt optisch sehr unruhig und würde das menschliche Empfinden sehr verwirren.

Für Prokon ergibt sich angesichts dieses Spannungsfeldes noch kein Handlungsbedarf. Als solide wirtschaftende Genossenschaft wäre es riskant, zu experimentieren und von den erprobten Anlagentypen abzuweichen – vor allem, da die großen Windenergieanlagen-Hersteller aktuell keine linksdrehenden Anlagen anbieten. Eine Nachrüstung bestehender Anlagen ist angesichts des technischen und finanziellen Aufwandes ebenfalls nicht wirtschaftlich. Trotzdem wird die weitere Entwicklung interessiert verfolgt. Dass Prokon gegenüber neuen Techniken von Windenergieanlagen aufgeschlossen ist, bewies die Energiegenossenschaft im letzten Jahr. Im Februar 2020 unterzeichneten die Prokon eG und der Windenergieanlagen-Hersteller Vestas eine Vereinbarung für Optimierungsmaßnahmen an 111 Prokon Windenergieanlagen. Nach Abschluss der Arbeiten soll ein um bis zu 2,7 Prozent gesteigerter Energieertrag pro Anlage und Jahr erreicht werden.