24. Februar 2022

Der Rotmilan und die Windkraft

Lange hielt sich das Argument, dass die Windkraft die größte Bedrohung für den Rotmilan darstellt. Zahlreiche Projekte scheiterten im Genehmigungsverfahren oder vor Gericht, wenn Tierschützer:innen und Windkraftgegner:innen klagten und den Rotmilan ins Spiel brachten. Neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel vom bedrohten Greifvogel und Windkraft nehmen diesem Argument nun den Wind aus den Segeln.

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Ein Scheinproblem

„Rotmilan gegen Windkraft – das Märchen vom bedrohten Greifvogel“. So lautet der Titel des am 22.02.2022 veröffentlichten Beitrags des ZDF-Magazins "frontal“ und räumt damit zum größten Teil mit einem der hartnäckigsten Argumente der Windkraftgegner:innen auf. Der TV-Beitrag berichtet über ein aktuelles EU-Forschungsprojekt, welches die Bedeutung des äußerst beliebten Gegenarguments der Windkraft auf Basis neuester Erkenntnisse relativiert und in ein vollkommen neues Licht rückt. 

Der Rotmilan hat seither eine besondere Priorität im EU-Artenschutz, da 95 Prozent der weltweiten Brutpopulation auf dem Gebiet der Europäischen Union leben. Forschungsansatz des LIFE-EUROKITE- Projekts ist es unter anderem, mithilfe von Telemetriedaten die Lebensraumnutzung der Greifvogelarten zu quantifizieren. Bereits seit zwei Jahren sammelt Rainer Raab, Projektleiter des „LIFE EUROKITE“ mit seinem Team Daten über den Rotmilan und seine Todesursache. Bereits 700 tote Rotmilane hat das Team aufgespürt und untersucht. 

Woran sterben Rotmilane?

Stirbt ein Rotmilan, welcher vorher mit einem GPS-Sender ausgestattet wurde, wird er von den Helfer:innen aufgelesen und zur Obduktion gebracht. Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen wurden nun in dem Bericht von „frontal“ veröffentlicht und decken auf, dass die Windkraft nur einen sehr geringen Anteil an den Todeszahlen trägt. Der Großteil der Rotmilane stirbt nicht durch Windräder, sondern durch natürliche Fressfeinde und Gift. Dabei werden nicht die Vögel selbst vergiftet, sondern die Mäuse und Ratten, die die Greifvögel fressen, sind vergiftet. Dieses Rattengift wird von Nutz- und Masttierhalter:innen ausgestreut, um die Höfe von Mäusen und Ratten zu befreien. So gelangt das Gift aber auch in die Nahrungskette des Rotmilans und sorgt somit für eine Vielzahl an Toten. Auf den Plätzen 3 und 4 siedeln sich der Straßenverkehr und Stromleitungen als Ursachen an. Abschüsse und Schienenverkehr sind Gründe 5 und 6 und erst als letzter Punkt der Liste wird auf Platz 7 die Windkraft genannt und diese Anzahl sei schon kaum erwähnenswert, betont Projektleiter Raab. 

Der Behauptung, dass die Windkraft die Population der Rotmilane bedroht, kann Rainer Raab auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse aus den letzten 2 Jahren nicht mehr zustimmen. Zudem hat sich die Population, trotz kontinuierlichem Ausbau der Windkraft, beruhigt und sogar vermehrt. 

Klimaschutz ist gleichzeitig Artenschutz

Dennoch können etliche Windparkbetreiber:innen ihre Windparks nicht repowern oder neue realisieren, da der Rotmilan weiter als bedeutendes Gegenargument angeführt wird und die Genehmigungen daran regelmäßig scheitern. Unabhängig von diesen Forschungserkenntnissen kommt die Versöhnung zwischen Klimaschutz und Artenschutz auch an einer anderen Stelle nicht voran: Beim Thema technische Innovation zum Schutz von Vögeln. Auch auf diesen Sachverhalt geht die „frontal“-Recherche ein. Anti-Kollisionsysteme (AKS) werden seit Jahren von verschiedenen Herstellern entwickelt und haben in zahlreichen Tests die Wirksamkeit dieser Methode unter Beweis gestellt: Das AKS arbeitet mit einem Kamerasystem rund um die Anlage, welches lebendige Flugobjekte frühzeitig erkennt und die Anlagen zuverlässig verlangsamt und abschaltet, sodass der Rotmilan und andere Vögel geschützt werden. In Spanien zum Beispiel wird diese Technologie längst eingesetzt und erweist sich als äußerst hilfreich und zuverlässig. Dennoch lassen die Behörden in Deutschland die Systeme seit Jahren nicht zu und verlangen weitere Tests und Modellversuche, die sich über Jahre ziehen.

Zusammenfassend macht die Arbeit des LIFE EUROKITE Projekts und die Recherche des „frontal“-Teams deutlich: Windräder sind ganz offensichtlich das kleinste Problem des Rotmilans. Die Versachlichung dieser Diskussion sollte nun an oberster Stelle stehen, um die legitimen Anforderungen an Artenschutz und Energiewende in Einklang zu bringen, anstatt sich gegenseitig auszubremsen. Denn Klimaschutz ist gleichzeitig auch Artenschutz. Wir von Prokon fordern, dass zukünftig solche Erkenntnisse und technischen Entwicklungen dringend in die Genehmigungsprozesse einfließen müssen, damit die Ausbauziele erreicht werden.