Mit 20 Jahren schon ein altes Eisen?
Im Alter von 20 Jahren beginnt für viele Menschen ein neuer Lebensabschnitt, der Start ins Berufsleben oder ein Studium steht bevor. Auch für rund 6.000 Windenergieanlagen in Deutschland beginnt eine neue Phase, die ihre Betreiber vor große Herausforderungen stellt. Am 1. Januar 2021 endet für die ersten Windenergieanlagen die Vergütung gemäß dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), welches im Jahr 2000 eingeführt wurde und den Betreibern einen auf 20 Jahre festgelegten Preis pro Kilowattstunde sicherte.
Für diese Anlagen muss der Strom nach Ablauf der EEG-Förderung zu Marktpreisen verkauft werden, und darin liegt die große Herausforderung für alle Betreiber. Experten gehen von 6.000 Windenergieanlagen und insgesamt ca. 4,5 Gigawatt aus, welche zum 31. Dezember 2020 aus der Förderung gehen. Demgegenüber stehen nur 2,9 Gigawatt neu ausgeschriebene Windenergieanlagen an Land pro Jahr.
Auch bei Prokon, einem Pionier in der Windkraftbranche, fallen im nächsten Jahr die ersten Anlagen aus der EEG-Förderung. 35 Windenergieanlagen mit einer Leistung von zusammen 45,5 MW gilt es für die Genossenschaft nach 2020 auf anderem Wege wirtschaftlich zu betreiben. Betroffen ist davon auch Prokons erster Windpark Horst (siehe Bild), mit acht Anlagen und einer Gesamtleistung von 10,4 MW. Zwei Möglichkeiten werden aktuell in Betracht gezogen: Repowering und Weiterbetrieb. In der Prokon eG befasst sich eine Projektgruppe mit dieser Thematik und bewertet die verschiedenen Möglichkeiten zum Wohle der Genossenschaft.
Beim Repowering werden die alten Anlagen abgebaut und an gleicher Stelle neue, leistungsfähigere Windenergieanlagen errichtet. Neue Anlagen, so wird grob geschätzt, erreichen einen ca. sieben bis achtfachen höheren Energieertrag gegenüber alten Anlagen. Landschaftlich ergibt sich zudem der Vorteil, dass oft viele kleine Windräder zugunsten weniger großer Anlagen ersetzt werden. Diese Möglichkeit ist jedoch durch neue, strengere Genehmigungsrichtlinien nicht an jedem Standort gegeben.
Als zweite Variante bietet sich der Weiterbetrieb an. Hierfür sind Prüfungen und Sicherheits-Gutachten (u.a. auf Materialermüdung) erforderlich, da die Anlagen zunächst rechnerisch nur für einen Betrieb auf 20 Jahre ausgelegt waren. Zusätzlich gilt es, Verträge und Versicherungen zu verlängern.
Um feststellen zu können, ob sich der Weiterbetrieb rechnet, stellt sich die Frage an wen der Strom gewinnbringend verkauft werden kann. Hier muss sich der Betreiber entscheiden, den Strom entweder an der (Strom-)Börse zu verkaufen oder ein sogenanntes Power Purchase Agreement (PPA) abzuschließen. Der Börsenstrompreis unterliegt Schwankungen und niemand kann genau voraussagen, in welche Richtung sich der Preis entwickeln wird. Ein PPA, also ein „Stromabnahmevertrag“, kann eine gute Alternative sein. Hier wird auf eine bestimmte Zeit ein fixer Strompreis pro Kilowattstunde festgelegt. Dieser gibt Verkäufer wie Käufer Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum. Diese Variante ist gerade für Industrieunternehmen, die Wert auf den Bezug von echtem Ökostrom legen, sehr interessant und gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung.
Die Prokon Genossenschaft unterzeichnete bereits im Jahr 2018 ihr erstes PPA mit der Firma Google. Der von Prokon Finnland entwickelte Windpark im finnischen Hedet wird Google ab diesem Jahr exklusiv mit Strom aus seinen 18 Anlagen versorgen. Mit Beteiligungen von 20 Prozent bzw. 80 Prozent sind Prokon und das französische Unternehmen Neoen gemeinsam Eigentümer von Hedet.
„Wir werden für unsere aus dem EEG fallenden Windparks genau prüfen, welche Option die beste ist“ gibt Prokon Vorstand Heiko Wuttke an. „Dies wird eine der herausforderndsten Aufgaben der nächsten Jahre sein“ ergänzt Vorstandskollege Henning von Stechow. Denn auch ab 2022 fallen jährlich weitere Windparks der Energiegenossenschaft aus der EEG-Förderung.